Hamburg – Sie sind unter Bodybuildern ein offenes Geheimnis, über das keiner spricht: Anabolika. Doch ein Profi-Pumper hat beschlossen, das Schweigen zu brechen.Bodybuilder Jens Illgner (33), besser bekannt als „Jil“, gehört mit knapp 180 000 Followern auf Instagram und 130 000 YouTube-Abonnenten zu den größten Stars der Szene. In seinen aktuellen Videos beichtet er, dass er auf dem Weg an die Spitze beinahe draufgegangen wäre – und die Anabolika vor drei Monaten absetzen musste. So offen wie er hat noch kein Szene-Star über Anabolika-Missbrauch gesprochen. 3,5 Jahre Anabolika-MissbrauchBILD besucht den 101-Kilo-Mann in seiner Hamburger Eigentumswohnung. Hier lebt er mit Freundin Martina May (35), Szene-Name „Artie“. Sie strahlt. „Ich kann nicht beschreiben, wie schön die vergangenen Monate waren“, sagt sie. „Es ist, als hätte ich einen neuen Mann zuhause.“ ![]() Jil gibt ohne Umwege zu: „Ich habe 3,5 Jahre am Stück 'gestofft'. Ich habe mit nahezu allen Substanzen jongliert, die es auf dem Markt gibt.“ Welche Substanzen das sind, möchte er nicht verraten. Es könnte Hobbysportlern als Anleitung dienen. Auch, wie er an die meist verbotenen Substanzen kam, deutet er nur an: „Ich habe die verschrieben bekommen oder auf dem Schwarzmarkt gekauft.“ Die dramatischen FolgenDafür spricht er freiheraus über die katastrophalen Folgen seines Konsums: ► Anabolika zerstörten seine Gesundheit. Jil: „Ich hatte teils immens hohen Blutdruck, verbunden mit Kopfschmerzen und einem dicken Schädel.“ Außerdem Herzflattern, Schlafstörungen, Schweißausbrüche. Als er ein Lösungsmittel in einem seiner Steroide nicht vertrug, bekam er Würgereflexe, musste sich übergeben, konnte nicht essen. „Stoff hat mich fast umgebracht“, heißt eines seiner Videos über diese Zeit. Jil: „Zurückblickend war es das schlimmste halbe Jahr in meinem ganzen Leben.“ ► Die Substanzen griffen seine Psyche an. Jil: „Ich war auf Steroiden noch mehr Alphamännchen als vorher. Ich war sehr egoistisch und hatte wenig Empathie.“ Artie ergänzt: „Wir haben ständig wegen Kleinigkeiten gestritten. Im Rückblick war es eine sehr schwierige Zeit.“ Freunde drängten Artie, sich von Jil zu trennen. Doch sie hielt zu ihm: „Ich habe mir immer gesagt: Es ist nicht er.“ ► Er muss bis heute Medikamente nehmen. Weil er sich jahrelang das Sexualhormon Testosteron spritzte, um seine Muskelmasse zu steigern, hörte sein Körper auf, das Hormon zu produzieren. Das muss er jetzt mit Medikamenten ausgleichen – vielleicht bis an sein Lebensende. Eine weitere Folge: Er hat keine Lust mehr auf Sex. Das war anders, als er sich das Testosteron noch spritzte: Damals wollte er bis zu viermal am Tag mit seiner Freundin schlafen. Jil: „Ich fand sie schon fast frigide. Wenn ich keinen Sex bekam, hab ich’s mir halt alleine besorgt.“ „Alle wissen, worauf sie sich einlassen“Die Risiken seien ihm von Anfang an bewusst gewesen, sagt er heute: „Alle Profis wissen, worauf sie sich einlassen.“ Doch als er vor einigen Jahren beim Krafttraining seine natürliche Grenze erreicht hatte, habe er mehr gewollt. Ende 2014 begann er daher, Anabolika zu nehmen. Jil: „Ich bin förmlich explodiert und habe riesig an Gewicht und Muskelmasse zugenommen. Meine Kraft ist enorm nach oben gegangen.“ 2015 trat er auf der Kölner Fitness-Messe Fibo auf: ein tätowierter Muskelberg mit schwarzem Bart und unglaublichen drei Prozent Körperfettanteil (unter sechs Prozent sind lebensgefährlich). Die Bilder gingen um die Welt. Der Bodybuilder: „Da war ich dem Tod wirklich nahe.“ Ein Sportarzt griff in letzter Sekunde ein und holte ihn von der Bühne. Ein neues LebensgefühlTrotzdem „stoffte“ Jil noch zwei weitere Jahre lang. Erst als er in eine tiefe Depression rutschte, empfahl ihm sein Coach, die Anabolika komplett abzusetzen. „Ich hatte panische Angst davor“, erzählt Jil. „Ich dachte, ich verliere von heute auf morgen meine Muskeln und werde noch depressiver.“ Doch es kam ganz anders. Seine Freundin Artie schwärmt: „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich darüber spreche. Es ist, als hätte ich einen neuen Mann zuhause. Er zeigt Empathie, er ist sanft, es geht ihm so gut.“ Und die Muskeln? Jil sagt, er habe vier Kilogramm an Gewicht verloren: „Ich bin jetzt weicher, nicht mehr so hart und prall. Und meine Adern sich nicht so heftige Schläuche.“ Trotzdem sieht er immer noch aus wie eine Figur aus einem Superhelden-Film. Sein Fazit nach drei Monaten Anabolika-Entzug: „Ich bin positiv überrascht.“ „Im Hobbybereich nichts verloren“Jetzt will Jil andere Sportler aufklären. Denn Bodybuilding ist so beliebt wie nie. Jil: „Immer mehr Leute fangen damit an. Die meisten von denen sind ungeduldig. Die wollen binnen kürzester Zeit ihren Vorbildern nacheifern und greifen dann zu diesen Mitteln.“ Jil warnt: „Im Hobbybereich hat das absolut nichts verloren.“ Er selbst hält sich offen, ob er nochmal „stofft“: „Es kann sein, dass ich irgendwann einmal in den Spiegel schaue und depressiv werde, da ich zu viel Muskelmasse verloren habe. Vielleicht greife ich dann doch noch einmal zu Anabolika. Ob und wann das geschehen könnte, kann ich allerdings zum jetzigen Stand und Zeitpunkt unmöglich sagen.“ Er würde es also noch einmal tun. Trotz der dramatischen Folgen – und obwohl er damit schlimmstenfalls sein leben auf's Spiel setzen würde. Quelle: https://www.bild.de ► Link MUSKELAUFBAU
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